"Mein Vater und ich kommen am 20.Oktober nach München und planen, mit dem Zug nach Hannover zu kommen. Anschließend wollen wir mit dem Auto nach Oerie zu fahren, um zu sehen, wo sein ältester Bruder mit der "Ark Angel" gestorben ist........"
Mit dieser E-Mail haben sich die McKees 2009 für einen Besuch in unserem kleinen, verschlafenen Ort angekündigt und ich ahnte damals nicht, was sich aus dieser schlichten Ankündigung entwickeln sollte....
Der Oktober zeigte sich an diesem Tag, dem 22.Oktober 2009, von seiner trüben Seite.
Es waren knapp 6°C und es wehte ein unangenehmer Wind.
Ich war um 10.00 mit Larry, Barney, Kevin und Shawn McKee verabredet. Die Brüder Larry und Barney, sowie deren Söhne Kevin und Shawn kommen aus Louisiana und Mississipi.
Sie sind tausende Kilometer aus dem warmen US-Bundesstaaten an der Golfküste in das kleine, verschlafene und an diesem Morgen sehr unwirtliche Oerie gekommen, um auf Spurensuche zu gehen.
Auf der Suche nach dem Orte, wo Raymond Otto McKee - der älteste der McKee Brüder - 1944 ums Leben kam und begraben wurde.
Raymond Otto McKee war Besatzungsmitglied eines US-amerikanischen B-24 Bombers mit dem Namen "Ark Angel".
Nach einem Angriff auf Industrieanlagen in Misburg am 26.November 1944 stürzte die "Ark Angel" hinter dem Oerier Wald ab. Raymond war an diesem Tag einer von unzähligen Toten in diesem gnadenlosen Krieg.
Wir warteten, wir gesagt kurz nach 10.00, auf dem Oerier Platz auf den angekündigten Besuch. Mit mir wartete eine kleine Gruppe von Eingeweihten, darunter zwei Augenzeugen (Herr Kreipe und Herr Swischenko, damals 10 und 12 Jahre alt), Frau Gallop von den Leine-Nachrichten, Frau Müller vom Herold und Ortsbürgermeister Wulkopf, die an dem Besuch von deutscher Seite teilnehmen wollten. Auch mein Vater, der 1944 geboren wurde, und Johann Ellmers waren mit dabei.
Die McKees hatten die Nacht in Hannover verbracht, nachdem sie tags zuvor von Atlanta über Paris nach Deutschland gereist waren. Als dann kurz nach zehn aus Richtung Kriegerdenkmal eine Auto mit Dortmunder Kennzeichnen ankam, ahnte ich schon, dass es die McKees sein mussten. Wir winkten ihnen zu und deuteten an, dass sie auf dem Platz parken sollten.
Obwohl wir uns alle nicht kannten und ich nur per E-Mail Kontakt mit Kevin hatte, erfuhren wir alle eine herzliche Begrüßung. Nach einer kurzen Erklärung über den geplanten Ablauf der bevorstehenden Besichtigung der Absturzstelle und des Oerier Friedhofs fuhren wir im Konvoi mit mehreren Autos Richtung Absturzstelle los.
Wir parkten die Autos und sammelten uns in der Nähe des Waldes. In dem Moment müssen die McKees realisiert haben, dass sie sich dem Ort nähern, an dem ihr Bruder und Onkel vor fast 65 Jahren ums Leben gekommen war. Nun standen wir zusammen. Auf der einen Seite umfasst vom Wald, auf der anderen von den kargen Feldern.
Auch hier wehte ein kalter Wind und nun bat Larry seinen Sohn Kevin, der Pastor ist, um ein kurzes Gebet, an dem alle Anwesenden still und jeder auf seine Art teilnahmen.
Anschließend gingen wir, geführt von Herrn Kreipe und Herrn Schwischenko, an die Stelle auf dem Acker, an dem das Wrackdes Bombers vor 65 Jahren lag.
Die beiden Herren, die damals Schuljungen waren, erklärten den Anwesenden, wie man das Wrack und auch die Leichen der Besatzungsmitglieder vorgefunden hatte.
Augenzeugen 1944: Fritz-Otto Kreipe und Horst Swischenko
Während der ganzen Zeit pfiff der Wind weiterhin um uns herum. Nach Aussagen von Augenzeugen soll am 26.11.1944 im Gegensatz zum heutigen trüben Wetter ein klarer Himmel gewesen sein, denoch wirkt das Szenario mit dem Wald und den Feld wie damals.
Ein Foto des verstorbenen Raymond McKee
An nichts in der näheren Umgebung, von den versteckt geparkten Autos abgesehen, ließ sich festmachen, in welchem Jahr man sich aufhielt. So hätte es damals auch aussehen können.
Herr Kreipe erzählt den McKees (Shawn, Kevin, Larry und Barney) von dem Absturz
Nach den eindrucksvollen Schilderungen von Herrn Swischenko und Herrn Kreipe baten Larry und Barney die Beiden zu sich.
Alle vier stellten sich zusammen, außen die beiden Deutschen, und legten an der Stelle, wo das größte Wrackteil lag, denn die Teile waren damals über den Acker verstreut, einen Strauß mit neun weißen Rosen nieder. Eine Rose für jeden Toten....
Blumen für den verstorbenen Bruder
Nach dieser ergreifenden Geste fuhr der Konvoi mit Larry, Barney, Kevin und Shawn im Schlepptau zum Oerier Friedhof. Der Oerier Friedhof ist klein und überschaubar.
Rechts neben dem Eingang befindet sich eine Wasserpumpe und entlang des kurzen Kiesweges befinden sich links und rechts die Grabstätten. Hinten links befindet sich eine kleine Kapelle, die nach dem zweiten Weltkrieg errichtet wurde. Einige größere Bäume säumen den Friedhof. Hinten rechts befindet ein recht großes Rasenstück ohne Gräber, überragt von einer großen Trauerweide.
Auf dieser Grabfläche wurde die neun toten Amerikaner 1944 begraben. 1946 wurden die sterblichen Überreste umgebettet. Teilweise auf amerikanische Soldatenfriedhöfe in Europa oder, wie bei Raymond O.McKee, in die USA. Raymond wurde auf den Baton Rouge National Cemetery in Louisiana (siehe Bild) umgebettet.
Grabstein von Raymond O. McKee auf dem Baton Rouge National Cemetery
Als wir uns nun auf dem Friedhof bei der ehemaligen Grabstätte versammelt hatten, waren die McKees überrascht, dass dieser Bereich noch unberührt war. Wir verbrachten dort eine relativ kurze Zeit, denn die Kälte und der Wind hatten uns trotz der kurzen Aufwärmzeit im Auto arg zugesetzt.
Larry (mitte) und Barney McKee (rechts) auf dem Oerier Friedhof
Plötzlich fragte Larry McKee den Ortsbürgermeister Wulkopf, ob es möglich sei, für die Toten eine Gedenkplakette aufzustellen. Im Angesicht der alten Begräbnisstätte gab der Ortsbürgermeister Hans-Friedrich Wulkopf Larry das Versprechen, solch eine Erinnerungsplakette aufzustellen.
Larry McKee mit Bürgermeister Wulkopf
Den Rest des Nachmittages verbrachten wir in kleiner gemütlicher Runde.
Nach einer weiteren Nacht in Hannover setzten die McKees ihre Reise mit dem Zug Richtung Schweiz fort. Dort wurden sie von John Meurs und seiner Frau empfangen.